Für Lehrer,  Rahmenbedingungen

Wie ausführlich gestaltet man das Erwartungsbild?

Erwartungsbilder zu Aufgaben können sehr unterschiedlich aussehen. Es gibt da nur wenige Vorgaben. Die Bandbreite reicht (wie übrigens bei den Lösungsvorschlägen in Schulbüchern auch) von „individuelle Aufgabenlösung“ ohne jegliche Bemerkung bis zu ausführlichen ausformulierten Gedanken, wie es bspw. in den Stark-Heften (Beispiel) gern aufgezeigt wird. 

Auch in den für die schriftlichen Geographieprüfungen für die prüfenden Lehrer nutzbaren Erwartungshorizont unterscheiden sich je nach Autoren und Jahr Umfang und inhaltliche Tiefe der Antworten. Dies schränkt den Korrigierenden dann entsprechenden mehr oder weniger ein. Dem einen Lehrer ist es eine wichtige Hilfe, ein anderer Lehrer würde vielleicht ein wenig anders wichten und hat so seine Probleme damit. 

Ich möchte dies an Beispielen verdeutlichen. 

Beispiel 1 – wie im schriftlichen Abitur

Eine (nunmehr typische, da in ähnlicher Form immer mal auftauchende) Abituraufgabe aus dem schriftlichen Abitur Geographie in Sachsen (Grundkurs) bezog sich auf die Mittelmeerinsel Malta: 

Während auf Malta nur Kalkstein ansteht, gibt es auf der nahe gelegenen Insel Sizilien auch Basalte und Gneise. Erläutern Sie die Entstehung und daraus resultierende Erkennungsmerkmale dieser drei Gesteine. 

Das Erwartungsbild war auf wesentliche Punkte reduziert dargestellt. 

Entstehung:

  • Kalkstein:  Sedimentgestein; biogene bzw. chemische Bildung, z.B. aus Muschelresten oder chemisch ausgefällt 
  • Basalt: – magmatisches Ergussgestein; Aufstieg von Magma in Bruchzonen bis an die Erdoberfläche; schnelle Abkühlung und Erstarrung der Lava 
  • Gneis: – metamorphes Gestein; z.B. Regionalmetamorphose durch hohen Druck und hohe Temperatur während gebirgsbildender Vorgänge 

Erkennungsmerkmale, z.B. 

  • Kalkstein: helles Gestein, scheinbar ohne Körnung, evtl. mit Fossilien, locker/porös bis fest 
  • Basalt: – dunkelgrau bis schwarz, dichte ungeordnete Grundmasse, sehr große Härte 
  • Gneis: – überwiegend grau, helle und dunkle Minerale, geschichtet, schiefrig, gebändert, parallel gelagert, Minerale entsprechend des Ausgangsgesteins, große Härte 

Die im schriftlichen Abitur ausgewiesenen Bewertungseinheiten sind in den Aufgaben und dem Erwartungsbild des mündlichen Abiturs nicht auszuweisen. 

Beispiel 2 – wie in Abiturvorbereitungsheften

Diese Beispielaufgabe wurde 2019 in Baden-Württemberg für den Geographie Leistungskurs gestellt, ist jedoch so auch auf Grundkursniveau denkbar. Es geht um dem Raum Mittelamerika. In der letzten Aufgabe wird allgemein gefragt:

Stellen Sie Unterschiede der Verstädterungsprozesse in Industrie- und Entwicklungsländern (Länder des globalen Südens) hinsichtlich Ursachen und Folgen dar. 

Das Erwartungsbild, welches bspw. im Stark-Heft präsentiert wird, erstreckt sich dabei über volle drei gedruckt Seiten. Es wird jedoch angemerkt, dass diese Argumente beispielhaft zu verstehen sind und nicht alle Punkte tatsächlich erwartet werden sowie andere Aspekte benannt werden können.

Im Erwartungsbild wird zunächst der Verstädterungsprozess in Entwicklungsländern beschrieben, es folgen Probleme in den Städten der Entwicklungsländern und Probleme im ländlichen Raum der Entwicklungsländern. Danach werden diese Aspekte mit Bezug auf Industrieländer beleuchtet. 

Wer einen Eindruck haben möchte, wie derart ausführliche Erwartungsbilder aussehen, kann sich ein entsprechendes Buch zulegen oder mal eine Leseprobe betrachten: 

Ein so ausführliches Erwartungsbild ist für die mündliche Abiturprüfung natürlich nicht gut geeignet.

Beispiel 3 – nur das Nötigste

Das andere Extrem ist, nur die nötigsten Vorgaben zu notieren. Beispielsweise anhand folgender Aufgabenstellung:

Beurteilen Sie die Aussage: „Die demographische Alterung bringt gewaltige Probleme.“

Im Erwartungsbild könnte sich mit einem „individuelle Aufgabenlösung“ begnügt werden.

Hilfreicher ist es, noch einmal herauszustellen, was dieser Operator für Anforderungen an die Lösung stellt und beispielhafte Argumente anzubringen, also: 

  • Probleme, z. B.: Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, höhere Kosten für Gesundheit und Pflege, …
  • Chancen, z. B.: Ressourcenbedarf sinkt bei Bevölkerungsrückgang, Entwicklung neuer Formen des Zusammenlebens, …
  • Gegenüberstellung, Abwägung, eigenständiges, begründetes Urteil

Es existieren weitere Varianten, z. B. das Bewertungsraster oder -matrix; diese ist aufwändig in der Erstellung und nicht nötig. 

Weitere Empfehlungen:

  • So knapp wie möglich, so viel wie nötig.
  • In Abhängigkeit vom Aufgabentyp beispielhafte Lösungsvorschläge unterbreiten, also bspw. „individuelle Aufgabenlösung, beispielsweise: …“
  • Wie im Erwartungsbild des schriftlichen Abiturs sollte auch für das Erwartungsbild des mündlichen Abiturs gelten: „Der Erwartungshorizont ist als Orientierungsrahmen zu verstehen. Er stellt eine mögliche Lösung dar. Andere Lösungen sind zuzulassen, wenn sie der Aufgabenstellung entsprechen und sachlich richtig sind.“
  • Die Erwähnung allgemeiner Aspekte, die in die Bewertung einfließen, ist möglich:
    • Umfang der Kenntnisse
    • Differenziertheit der Kenntnisse
    • Grad der Selbstständigkeit bei der Bearbeitung
    • Sicherheit in der Anwendung der Fachsprache, sprachliche Richtigkeit
    • Breite und Mehrperspektivität der Argumentation
    • Sicherheit in der Anwendung der Methoden
    • Genauigkeit, Intensität, Umfang der Materialauswertung; Grad der Verarbeitung einzelner Informationen
    • strukturierte, sachlogische und problembezogene Darstellung
    • Differenziertheit und Angemessenheit der Reflexion und Bewertung
Weitere Informationen:
  • Beitrag: Welche Form sollte das Erwartungsbild haben? (folgt noch)